Brauchen wir ein Integrationsgesetz?

 Matthias Wittig, Metin Hakverdi, Dr. Ernst Dieter Rossmann und Jens Olaf Nuckel diskutierten mit dem Publikum über das kommende Integrationsgesetz.
Matthias Wittig, Metin Hakverdi, Dr. Ernst Dieter Rossmann und Jens Olaf Nuckel diskutierten mit dem Publikum über das kommende Integrationsgesetz.

Man war unter sich: Zur SPD-Diskussionsveranstaltung über das neue Integrationsgesetz am 13. Juni in der Comenius-Schule konnte der Quickborner SPD-Chef Jens-Olaf Nuckel neben einigen Parteimitgliedern offensichtlich vor allen ehrenamtlich in der Flüchtlingsarbeit Tätige begrüßen.

 

Und so waren die einleitenden Worte des Kreis-Pinneberger SPD-Bundestagsabgeordneten Dr. Ernst Dieter Rossmann sicher Balsam für die Seele der Anwesenden, als er die Arbeit der Initiativen vor Ort lobte. Sie werde gelegentlich in der "Glaskuppel Berlin" nur unzureichend wahrgenommen. Er erinnerte daran, dass der damalige SPD- Bundesinnenminister Otto Schily mit einer Neufassung des Staatsbürgerrechts und der Einführung von Integrationskursen erste wichtige Schritte zu einer besseren Eingliederung von Schutzsuchenden unternommen habe.

 

Als Experten hatte die SPD Quickborn Metin Hakverdi, SPD-MdB aus Hamburg-Wilhelmsburg und stellvertretender rechtspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, für die Veranstaltung gewinnen können. Ein kurzer Rückblick auf seine Vita machte deutlich, dass er nicht nur aufgrund seiner politischen Arbeit für das Thema prädestiniert ist: Beide Elternteile hätten einen Migrationshintergrund (der Vater war Mitte der 50er Jahre aus Anatolien gekommen, die Mutter zur gleichen Zeit aus Vorpommern "eingewandert"), seit 47 Jahren lebe er in der gleichen Straße im Hamburger Problem-Bezirk Wilhelmsburg. Über zwei Legislaturperioden war er Mitglied der Hamburger Bürgerschaft. Damals sei er nur aufgrund seines Namens Anfeindungen ausgesetzt gewesen.

 

In seinen Ausführungen stellte er wesentliche Elemente des Integrationsgesetzes vor, das noch vor der Sommerpause vom Bundestag beschlossen werden soll. Er sieht in dem neuen Gesetz eine Vorstufe zu einem Einwanderungsgesetz, das dringend benötigt werde, denn Deutschland sei in der Realität schon lange ein Einwanderungsland. Er möchte die verpflichtenden Integrationskurse vor allem als Ansporn sehen. Den Anspruch, während der Ausbildungszeit (plus zwei Jahre anschließende Tätigkeit) in Deutschland bleiben zu können, sieht er positiv, weil damit den Flüchtlingen die Chance gegeben wird, einen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten. Die Wohnortzuweisung sei notwendig, um den Wohnungsmarkt nicht partiell zu stark zu belasten. Auch das Angebot von 100.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen mit einer Entlohnung von 0,80 Euro die Stunde sieht er positiv. Dafür müsse es aber praktikable Regelungen und zumutbare Jobs geben.

 

Das Gesetz habe viele Folgen und man müsse sich darüber im Klaren sein, dass man an den verschiedensten Stellen bei Bedarf nachsteuern müsse. Als besonderen Vorteil des Integrationsgesetze sieht er die früher nicht vorhandenen Differenzierungsmöglichkeiten. Bislang würden alle Flüchtlinge gleich behandelt, jetzt könnten die Flüchtlinge selbst etwas dafür tun, sich zu integrieren. Dies würde dann auch anerkannt und belohnt.

 

Brauchen wir ein Integrationsgesetz ?

Mit einer überraschenden These eröffnete Matthias Wittig, Quickborner Koordinator der ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer, die Diskussion:„Wir brauchen kein Integrationsgesetz!" Die Bundesrepublik Deutschland habe im Laufe ihrer Geschichte wiederholt eine große Zahl von Flüchtlingen aufgenommen und auch jetzt funktioniere die Integration der 375 Flüchtlinge in Quickborn dank der Zusammenarbeit von Stadt, Organisationen und Ehrenamtlichen recht gut. Er kenne keinen Flüchtling, der nicht "heiß" darauf sei, an Integrationskursen teilzunehmen. Das Problem sei eher, ausreichend (Sprach-)Kurse anzubieten, weil gar nicht genügend qualifizierte Dozenten zur Verfügung stünden. Die Erfahrungen der Vergangenheit mit vergleichbaren Arbeitsförderungsmaßnahmen hätten auch gezeigt, dass diese kaum zur Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt geführt hätten. Er sehe in dem Gesetz auch eine Gefälligkeit gegenüber rechtspopulistischen Tendenzen.

 

Rossmann räumte ein, dass das Gesetz auch für die eigene Bevölkerung eine "Vergewisserung" bedeute. Die Kombination von Fordern und Fördern sei aber richtig. Er erinnerte daran, dass der Bund die Länder und damit auch die Kommunen stärker unterstützen werde. So würden die Mittel für Sprachkurse von 270 Mllionen Euro auf 500 Millionen Euro aufgestockt. Die bisherigen rechtlichen Regelungen, so Makverdi,  seien Überbleibsel des preußischen Landrechts. Als Jurist bewerte er insbesondere positiv, dass das Gesetz die Rechtsposition von Zuwanderern stärke. Das Gesetz ermögliche Differenzierung und entspreche damit dem Leistungssprinzip, das Teil unserer Kultur sei. Er mahnte, sich nicht auf polarisierende Diskussionen einzulassen.

 

Mehrere Besuchern und Besucherinnen berichteten von Beispielen aus der eigenen Arbeit für und mit Flüchtlingen und äußerten ihre Meinung. Das Gesetz  stünde im Widerspruch zur Willkommenskultur, war da zu hören. Es stehe eher für "Exklusion". Oder auch: Integration könne man nicht durch ein Gesetz verordnen, sie müsse von innen kommen. Eine Besucherin sah einen Vorteil in verpflichtenden Sprachkursen, weil sie Frauen vor allem aus dem arabischen Raum ein wichtiges Argument gegenüber ihren Männern an die Hand gebe. Es müsse dann aber auch Kurse zu familienfreundlichen Zeiten anbieten. 

 

Rossmann plädierte am Ende dafür, über den aktuellen Problemen in Deutschland und Europa nicht zu vergessen, die Menschen in ihren Heimatländern zu unterstützen und engagiert die wirklichen Fluchtursachen zu bekämpfen.

 

Rund 40 Besucher verfolgten die Diskussion zum Integrationsgesetz.
Rund 40 Besucher verfolgten die Diskussion zum Integrationsgesetz.

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