19.9.2024 | Nachdem zur Erinnerung an das erste Nazi-Opfer in Quickborn bereits 2019 eine Stele im Birkenwäldchen am Harksheider Weg errichtet worden war, wurde jetzt der daran
vorbeiführende Pfad offiziell zum Paul-Warnecke-Weg ernannt. Rund 100 Gäste hatten sich am Mittwoch eingefunden, um die offizielle Einweihung durch Henning Meyn (CDU), den stellvertetenden
Bürgervorsteher, und Bürgermeister Thomas Beckmann zu verfolgen.
Beckmann erinnerte daran, dass der 19jährige Warnecke am 5. März 1933 von dem SA-Mann Gustav Jeske erschossen worden war. Am 24.6.2024 hatte die Quickborner Ratsversammlung einstimming die offizielle Ernennung des Paul-Warnecke Weges beschlossen. „Sie ist nicht nur ein Zeichen des Gedenkens, sondern gleichzeitig eine Mahnung, dass wir uns jeden Tag für die Aufrechterhaltung der Erinnerungskultur stark machen müssen, insbesondere auch in der heutigen Zeit, in der sich radikales, rechtsextremes Gedankengut leider immer mehr verbreitet. Wir senden ein klares Signal gegen das Vergessen und gegen jede Form des Extremismus und der Intoleranz!""
Der Soziologe Jörg Penning, der als Mitglied des „Fördervereins Gegen das Vergessen - Spurensuche im Kreis Pinneberg und Umgebung1933 - 1945" bereits am Text für die Stele mitgewirkt hatte, ließ in einem längeren Beitrag den Hintergrund der Ermordung Warneckes Revue passieren. In Quickborn mit seinen damals 3.000 bis 4.000 Einwohnern gab es in den 20er und 30er Jahren rasante politische Veränderungen. Der Aufstieg der Nationalsozialisten Deutschen Arbeiterpartei begann erste sehr spät, nämlich Ende der 1920er Jahr, und führte dennoch innerhalb weniger Jahre zu einem Erfolg, so dass die NSDAP in Quickborn schon vor der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler die führende politische Kraft war.
Um der Bedrohung durch die Nazis etwas entgegenzusetzen, schlossen sich die Anhänger der Arbeiterparteien zu Schutzformationen zusammen. Auch Paul Warnecke war dabei. Am Abend des 4. März, am Vorabend der Reichstagwahlen, traf er sich mit anderen in den Wohnhäusern des KPD-Gemeindevertreters Johannes Schwank am Langenkamp und des Ortvorsitzenden der Kommunistischen Partei Julius Stubbe in der Querstraße, um Übergriffe der Nazis zu unterbinden. In der späten Nacht verließ er in einer kleinen Gruppe von vier Personen das Haus von Schwank, um zu Stubbe zu wechseln. Dabei trafen sie auf der Grünfläche auf eine Gruppe SA-Leute, die das Haus von Stubbe beobachteten. Als diese die Gruppe der Kommunisten bemerkte, forderten die Nazis die Gruppe zum Stehenbleiben auf. Daraufhin wurden mehrere Schüsse auf die Flüchtenden abgegeben. Von einem Schuss in den Rücken getroffen starb Paul Warnecke.
Wenige Wochen später, im April 1933, erfolgte die Umbenennung des Harksheider Wege in Adolf-Hitler-Straße. Die Grünfläche wurde zum Horst-Wessel-Platz.
Als Schütze wurde Gustav Jeske ermittelt. Zu befürchten hatte er während der Nazi-Zeit nichts. Nach dem Kriege wurde er 1946 wegen Totschlags zu zehn Jahren Haft veruteilt, aufgrund seines Gnadengesuches im Jahre 1951 wurde ihm die Hälfte der Strafe erlassen.
Im April 1946 benannte der Quickborner Gemeinderat den Horst Wessel.Platz um: Er sollte Paul-Warnecke-Platz heißen, umgesetzt wurde dieser Beschluss nie.
(Die komplette Rede findet sich weiter unten zum Download. Die Geschichte von Paul Warnecke hat Penning in einem Aufsatz veröffnetlicht.)
Besondere Aufmerksamkeit errang eine Gruppe Schüler des Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium mt ihrem kurzen Auftritt: Aus dem Publikum heraus erinnerten die Teilnehmer an das Geschehen 1933 und dem Schluss „Genau an diesem Ort!"
Lucas Moriconi (Grüne) zeigte sich zufrieden, dass die Initiative zur Benennung des Weges von allen Fraktionen unterstützt wurde und er vermutete, dass dafür auch die veränderte Gesamtsituation verantwortlich sei: Fremdenfeindlichkeit, menschenverachtende Ideologie, Rechtspopulismus und Rechtsextremismus seien erstarkt. „Wir dürfen nicht zulassen, dass solche Ideologien mehrheitsfähig werden und Macht erlangen! ...Es reicht nicht, selbst nicht rechtsextrem zu sein. Wenn gegen Ausländer, Juden, Muslime oder sonstige Minderheiten gehetzt wird, ist es besonders für diejenigen, die nicht selbst betroffen sind, Pflicht gegenzuhalten!"
Für die musikalische Umrahmung der Feier sorgte ein Bläserquintett der Musikschule unter Leitung von Lorenz Jensen. Jensen hatte auch ein speziell komponiertes Stück „In memoriam P.W." beigesteuert.
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