Gedenkstunde zum Volkstrauertag: Mahnung an die Lebenden

19.11.2023 | Ein Volkstrauertag im Zeichen eines Krieges in Europa und kriegerischer Auseinandersetzungen in Nahost - dies gab der diesjährigen Gedenkstunde ein besonderes Gepräge. In der Veranstaltung des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge und der Stadt Quickborn im Gemeindesaal der Ev.-Luth. Kirchengemeinde ging Bürgermeister Thomas Beckmann ebenso auf die aktuelle Situation ein wie Bürgervorsteherin Annabell Krämer bei der Kranzniederlegung an der Gedenkstätte in Quickborn Renzel.

 

Rund 50 Gäste konnte Beckmann im Gemeindesaal begrüßen, darunter zahlreiche Vertreter der politischen Parteien und Ehrenamtliche verschiedener Organisationen. Für die musikalische Umrahmung sorgte ein Streichquartett der Musikschule, das von Alexander Vogel und Falko Jentsch (Violinen), Johanna Rodeck-Martynchuk (Viola) und Diego Rojas Gonzalez (Violoncello) gebildet wurde. Lorenz Jensen, Leiter der Musikschule, hatte die Arrangements für die Werke u.a. von Felix Mendelssohn-Bartholdy und Johann Sebastian Bach geschrieben.

 

In seiner Begrüßung dankte Beckmann nicht nur der Musikschule für ihre Unterstützung, sondern auch der ev. Kirche, die von Pastorin Claudia Weißbarth vertreten wurde, für die Bereitstellung des Raumes. .....

 

Am Volkstrauertag gedenke man der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft,, aber auch aller Menschen, die wegen ihres Glauben oder ihrer politischen Gesinnung zu Opfern wurden. Mit Dankbarkeit werde den Menschen in Deutschland bewusst, dass wir in unserem Land seit Jahrzehnten in Frieden leben könnten. Aber die aktuelle Situation in Europa und Nahost sei ein Mahnung, dass Frieden keine Selbstverständlichkeit sei. Er müsse jeden Tag in kleinen Schritten bewahrt werden und jeder könne in seinem Umfeld durch Menschlichkeit, Respekt, Höflichkeit und Toleranz dazu beitragen. Es gehöre aber auch Haltung und Rückgrat dazu, z.B. angesichts des wachsenden Antisemitismus in unserem Lande. „Nehmen wir diesen Volkstrauertag daher als Mahnung und Aufruf, mutig und entschlossen für Frieden und Toleranz einzustehen!"

 

Ansprache der Schüler und Schülerinnen des Elsensee-Gymnasiums

In seiner Ansprache trug Johann Reese Gedanken vor, die Oberstufenschülerinnen und -schüler des Elsensee-Gymnasiums als Gemeinschaftsleistung des Geschichtsprofils unter Leitung von Frau Dr. Gnutzmann zusammengetragen und formuliert hatten. Die AutoreHarriet Bartels, Jakob Fahngruber, Barne Hippler, Mathis Hoee, Philip Laborius, Nele Lamoller, Jannis Maracke, Neja Pathirage, Rea Valerius verfolgten den Vortrag ebenso wie Schulleiter Bülck vor Ort, die Lehrerin war krankheitshalber verhindert.

 

Hier ist die Rede der Schüler und Schülerinnen im Wortlaut:

 

„Trauer ist sehr persönlich und individuell. Und so trauert jeder auf seine individuelle Art und Weise. Doch trotz der Unterschiede, wie wir mit Trauer umgehen, gibt es eine Gemeinsamkeit. Wenn wir trauern, machen wir uns schmerzlich bewusst, dass die Welt wie wir sie bisher kannten, so nicht mehr existiert. Dieses anzuerkennen ist sehr schwer und macht uns betroffen, auch wenn wir die Verstorbenen nicht persönlich gekannt haben.

 

Gemeinsam allerdings, können wir etwas Trost darin finden, dass die Toten und die Opfer von Krieg und Gewalt so nicht vergessen werden. Durch Denkmäler, Mahnmale und Tagen wie dem heutigen, können wir Angehörigen, die sich nicht richtig verabschieden konnten, einen Ort zum Trauern bieten und dafür Sorge tragen, dass die Opfer nicht vergessen werden.

 

Der Volkstrauertag ist Teil einer gelebten Erinnerungskultur. Wie wichtig es ist, sich von Krieg und Gewalt abzugrenzen zeigt das aktuelle Weltgeschehen. Doch auch die Geschichte lehrt uns diese enorme Bedeutung. Deswegen ist es wichtig, dem Gedenken Raum zu geben. Wir selbst haben bei einer Schul-Exkursion zur Gedenkstätte Bergen- Belsen erfahren, mit was für einer Bedeutung die Gedenkstätten geprägt sind.

Der Besuch hat uns zu tiefst berührt und lehrte uns so neben dem geschichtlichem Aspekt auch die emotionale Bedeutung des Ortes.

 

Viele sind sich der NS-Geschichte und des Holocaust bewusst. Ob es in der Schule gelernt wurde, Menschen sich selbst ausgiebig informiert haben oder intensiv von der Familie aufgeklärt wurden.

 

Und doch ist es uns kaum möglich, zu realisieren, wie katastrophal die Bedingungen in den Gefangenlagern für die unzähligen Opfer wirklich waren. In der Gedenkstätte Bergen-Belsen wurden wir sowohl den Opfern als auch ihrer Geschichte näher gebracht.

Bilder und Zeichnungen dokumentierten Schicksale und bis heute traumatisierte Zeitzeugen haben uns sehr bewegt, aber auch belehrt. Es erreicht emotional eine besondere Ebene, an einem Ort zu sein, an dem in der Vergangenheit unzählige Menschen gequält und ermordet wurden.

 

Allerdings sollte dies auch jedem von uns bewusst machen, wozu Menschen fähig sind. Es ist ein Ort, der uns alle erinnert, wie entsetzlich das Ausmaß der Geschehnisse war und der uns allen mehr als deutlich machen sollte, dass ein weiterer Völkermord mit aller Kraft verhindert werden muss.

 

Das Gedenken vermittelt, dass jeder von uns die Verantwortung hat, unsere Mitmenschen sowohl zu unterstützen, als auch zu beschützen und uns der gemeinschaftlichen Liebe hinzuwenden.

 

Unsere Gedanken sind heute ebenfalls bei den Menschen, die zu jener Zeit unter furchtbaren Bedingungen vergeblich versuchten zu überleben, bei den Menschen, die ihre gesamte Familie verloren haben und bei all den Kindern, die alleine sterben mussten.

 

Unsere Gedanken sind bei all den Opfern, die unter Krieg und Gewalt gelitten und ihr kostbares Leben verloren haben. So symbolisiert Bergen Belsen für uns das Leid und das Unrecht, welches all diesen Menschen widerfahren ist.

 

Doch am diesjährigen Volkstrauertag gedenken wir in einer Zeit, in der die Welt wieder von Konflikten und Spannungen geprägt ist. Am präsentesten für die meisten Europäer sind momentan der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen der Hamas und Israel. Doch nicht nur dort dominiert brutaler Terror mittlerweile den Alltag. Weltweit gibt es aktuell um die hundert bewaffnete Konflikte und in den letzten 3 500 Jahren Menschheitsgeschichte herrschte insgesamt mehr als 3 250 Jahre Krieg und nur 250 Jahre Frieden. Das sind 13 Jahre Krieg auf ein Jahr Frieden. Im selben Zeitraum wurden über 8 000 Friedensverträge geschlossen, die ewig gültig sein sollten.

 

Auch nach dem ersten Weltkrieg wurde ein Friedensvertrag geschlossen, um den Frieden in der Welt zu sichern. Und Deutschland versuchte einen demokratischen Neuanfang zu schaffen. Um sich dennoch an das Leid des Krieges zu erinnern und es als Warnung zu begreifen, gibt es seit 1922 den Volkstrauertag als offiziellen Gedenktag.

Der damalige Reichstag erinnerte erstmals an die gefallenen Soldaten und zivilen Kriegsopfer. Zu diesem Anlass hielt der Reichstagspräsident Paul Löbe eine Rede:

Zitat: „Leiden zu lindern, Wunden zu heilen, aber auch die Toten zu ehren, Verlorene zu beklagen, bedeutet die Abkehr vom Hass, bedeutet die Hinkehr zur Liebe, und unsere Welt hat Liebe not!“

 

Während zu Zeiten der Weimarer Republik die Aussöhnung mit Frankreich ganz oben auf der Agenda stand, ist es heute das friedliche Zusammenleben aller Kulturen in einer Gemeinschaft, die von gegenseitigem Respekt geprägt wird. Während damals die Trauer um die Toten als Abkehr vom Hass und Hinkehr zur Liebe deklariert wurde, ist es heute mehr eine Hinwendung zur Verständigung miteinander.

 

Und genau dieses sollte einer der Wege sein, mit Trauer umzugehen. Wir brauchen eine friedliche Verständigung aller Menschen, da sie so essenziell für das Zusammenleben unserer Gesellschaft ist, wie das gemeinsame Erinnern am heutigen Gedenktag.

Heute gedenken wir Menschen aller Nationen weltweit, damit unsere gemeinsame Vergangenheit, sowie die Opfer, die sie mit sich brachte, nicht verdrängt, sondern aufgearbeitet und gewürdigt werden. Wir müssen die Erinnerung an die Vergangenheit wachhalten, um aus ihr zu lernen und eine friedvollere Zukunft gestalten zu können.

Der Volkstrauertag ist nicht nur ein Gedenktag an die Toten!

 

Der Volkstrauertag ist eine Aufforderung an uns, als eine lebendige und vielfältige Gesellschaft, jetzt die Verantwortung wahrzunehmen und zu ergreifen, damit Krieg, Gewalt und Vorurteile nicht weiter toleriert werden und wir in einer Gemeinschaft voller Liebe und gegenseitigen Respekt für einander leben können. Indem wir uns allen Formen von Diskriminierung entgegenstellen, stehen wir heute für ein Miteinander ein, welches erst durch die Abkehr vom Hass und die Hinwendung zur Verständigung möglich werden wird."

 

Kranzniederlegungen an den Ehrenmalen

Nach der Totenehrung durch Bürgermeister Beckmann begaben sich die Teilnehmer zunächst zum Ehrenmal für die Toten der beiden Weltkriege an der Bahnhofstraße. Hier legten Bürgervorsteherin Annabell Krämer und Bürgermeister Beckmann einen Kranz für die Stadt nieder, es folgten Delegationen des Schützenvereins, der CDU Quickborn und des Sozialverbandes Quickborn. Umrahmt wurde die Zeremonie vom Posaunenchor der ev. Kirche, der auch die anschließenden Kranzniederlegung durch den Fachbereichsleiter Carsten Möller und Nicole Münster, die Abteilungsleiterin Kultur, auf dem Nordfriedhof begleitete.

 

Posaunenchor und eine kleinere Teilnehmerschar fanden sich anschließend am Ehrenmal in Quickborn-Renzel ein. Bürgervorsteherin Krämer griff in ihrer Ansprache die Worte von Paul Löbe auf, dass schon die Schülerinnen und Schüler zitiert hatten: Abkehr von Hass, Hinkehr zur Liebe. Unsere Welt hat die Liebe not! Und sie zitierte Dietrich Bonhoeffer:„ Die Ehrfurcht vor der Vergangenheit und die Verantwortung für die Zukunft geben für das Leben die richtige Haltung!" Und sie schloss mit den Worten: „Lassen Sie uns einen Moment innehalten - gegen das Vergessen! Denn 'Nie wieder" ... ist jetzt!"

 

Anschließend legte sie gemeinsam mit Bürgermeister Beckmann einen Kranz für die Stadt nieder, der stellvertretende Bürgervorsteher Henning Meyn (CDU) und die Vorsitzende Annegret Tegen waren für ihre Partei ebenfalls mit einem Kranz vertreten und für den Sozialverband legt ihre Vorsitzende Heike Schröder ein Gebinde nieder.

 

 

Bürgermeister Thomas Beckmann begrüßte die Gäste und hielt die Totenehrung
Bürgermeister Thomas Beckmann begrüßte die Gäste und hielt die Totenehrung
Johann Reese trug die Gedanken vor, die eine Arbeitsgruppe des Elsensee-Gymnasiums zusammengetragen hatte.
Johann Reese trug die Gedanken vor, die eine Arbeitsgruppe des Elsensee-Gymnasiums zusammengetragen hatte.
Ein Streichquartett der Musikschule sorgte für den musikalischen Rahmen der Gedenkstunde
Ein Streichquartett der Musikschule sorgte für den musikalischen Rahmen der Gedenkstunde
Bürgervorsteherin Annabell Krämer hielt die Ansprache am Ehrenmal in Quickborn-Renzel
Bürgervorsteherin Annabell Krämer hielt die Ansprache am Ehrenmal in Quickborn-Renzel

Kommentar schreiben

Kommentare: 0

HERAUSGEBER / REDAKTION

(KEINE Auskünfte zu in den Beiträgen erwähnten Organisationen/Institutionen!)

 c/o CS : COMM
Reinhard Kuchel
 Kampmoorstraße 6
25451 Quickborn


 

 

Telefon: 04106 77 30 77

Mobil: 0160 775 70 06

Mail: info@Quickborn1.info