GUDELIUS: Augenblick mal!
Hier schreibt der Quickborner Autor Peter Gudelius einmal in der Woche zu Themen der Stadt, des Landes und der Welt. Was sich kritisch liest, mal mehr, mal weniger zugespitzt, will als Anregung verstanden sein und zum Nachdenken verführen. Herausgeber und Redaktion weisen darauf hin, dass die Beiträge die Ansicht des Kolumnisten wiedergeben.
Weitere Beiträge des Autors finden Sie in seinem Blog „Sprach-los".
Was bis vor Kurzem wirkungsvoll war, wird jetzt als wirkungsmächtig bezeichnet. Merkwürdigerweise bin ich dem Begriff Wirkungsmacht noch nicht begegnet. Das will
aber nichts heißen, kann schon morgen passieren. Hier zeigt sich wieder die Großmannssucht, die mit Vergnügen aus der Mücke einen Elefanten macht.
So ist auch immer häufiger von Protagonisten die Schreibe. Gelegentlich sind Vorkämpfer gemeint, Menschen, die sich für irgendetwas einsetzen, die an einer Sache teilnehmen, daran mitarbeiten. Es
wird möglicherweise nicht lange dauern, bis die Mitglieder eines Kaninchenzüchtervereins als Protagonisten bezeichnet werden.
Man könnte glatt auf den Gedanken kommen, einen Thinktank damit zu beauftragen, hier mal endlich wieder etwas Vernunft in die Sprache zu bringen. Aber vielleicht lieber doch nicht. Ein Thinktank
ist ja zu gut deutsch eine Denkfabrik. Denken vom Fließband? Alles getaktet wie in Chaplins „Moderne Zeiten"? Danke schön, nein. Versuchen wir es lieber selbst.
Wie erholsam ist so ein Blick zurück. Das gilt auch für eine Beobachtung von Alexis de Torcqueville. Er machte sie vor etwa hundertfünfzig Jahren: „Die Welt ist ein seltsames Theater. Man findet
dort Augenblicke, wo die schlechtesten Stücke den größten Erfolg haben.“
Rede jetzt bitte niemand von Fortschritt! Wir treten auf der Stelle. Nichts hat sich geändert. Nicht mal Heinrich Heine ist zu widersprechen, der feststellte: „Advokaten sind Bratenwender, die
das Gesetz so lange wenden, bis ein Braten für sie abfällt.“
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