GUDELIUS: Augenblick mal!
Hier schreibt der Quickborner Autor Peter Gudelius einmal in der Woche zu Themen der Stadt, des Landes und der Welt. Was sich kritisch liest, mal mehr, mal weniger zugespitzt, will als Anregung verstanden sein und zum Nachdenken verführen. Herausgeber und Redaktion weisen darauf hin, dass die Beiträge die Ansicht des Kolumnisten wiedergeben.
Weitere Beiträge des Autors finden Sie in seinem Blog „Sprach-los".
Ein paar Worte vorweg.
Nicht alle Quickborner Bürgerinnen und Bürger dürften mit dem Jahreswechselbrief einverstanden sein, mit dem sich Bürgervorsteher Henning Meyn und Bürgermeister Thomas Köppl dieser Tage an die Bürgerschaft wandten. Das legen Äußerungen, die den Autor erreichten, nahe.
Tatsächlich werden in diesem Brief Noten verteilt, werden Bürgerinnen und Bürger nach gut und böse sortiert, Kritiker als Nörgler bezeichnet, sogar eine Empfehlung, sich im neuen Jahr zu bessern, wird abgegeben.
Ein zunehmend rauerer Ton wird beklagt, individuelle Rohheit und Frustration werden als Motive genannt. Das ist nicht ganz und gar von der Hand zu weisen. Schließlich ist der Bürgermeister gegen eine Ratsfrau vor Gericht gezogen. Aus welcher Richtung beklagte Rohheit und Frustration kamen, dürfte damit klar sein.
Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab.
Ein Bürgermeister ist ein Bürgermeister, aber nicht der Meister der Bürger. Und ein Bürgervorsteher tut gut daran, sich als Bürgerversteher zu verstehen. So viel, so wenig Bescheidenheit dürfte angemessen sein.
Eine Stadt ist mit ihren Bürgern nicht einverstanden.
Zum Jahresende gehört ein Grußwort von Bürgervorsteher und Bürgermeister an die Bürgerschaft zum guten Ton. Das zu Ende gehende Jahr noch einmal Revue passieren lassen, über Gelungenes, auch über nicht Gelungenes sprechen, gemeinsam Erreichtes noch einmal hervorheben, Anerkennung aussprechen
für die Zusammenarbeit aller – alles das gehört dazu, auch ein Mut machender Ausblick auf das kommende Jahr.
Nicht dazu gehört Kritik an der Bürgerschaft, eine Kritik, die düster und drohend daher kommt, niemanden und alle zugleich beschuldigt – die Unterzeichner des Grußworts ausgenommen.
Der Ton in unserer Stadt sei zum Teil deutlich rauer geworden, heißt es. Von individueller Rohheit und von Frustration sprechen Bürgervorsteher und Bürgermeister. Eine lokale Verschwörungstheorie? Dieser Gedanke ist nicht von der Hand zu weisen.
Die Nörgler der Stadt werden zur Ordnung gerufen. Zitat: „Schön wäre es, wenn sich die zahlreichen nörgelnden Ideengeber, die sich gerne zu Wort melden, auch aktiv einbringen würden.“ Eine wenig elegante Art und Weise, engagierte Bürger gegeneinander auszuspielen.
Zum Schluss danken Bürgervorsteher und Bürgermeister „von Herzen“ – was etwas übertrieben klingt – denen, die sich für unser Gemeinwesen engagiert und sich christlich benommen haben. Den anderen Bürgerinnen und Bürgern wünschen sie,
dass sie im nächsten Jahr auch zu den Guten gehören.
Die Einen und die Anderen. Da beziehen Bürgervorsteher und Bürgermeister deutlich Position: Bürgerinnen und Bürger, bessert euch!
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Peter Jäger (Freitag, 30 Dezember 2016 17:31)
Lieber Herr Gudelius,
es gehört ziemlich viel Toleranz dazu, alle Bürger gleichermaßen zu mögen. Für einen Bürgermeister ist es gewiss schmerzhaft, wenn er rückblickend feststellt, dass ihn fast die Hälfte aller Wähler der Stadt nicht gewählt haben. Zumal er in seinem Wahlkampf genügend Argumente lieferte, die sein Engagement überzeugend darlegten. Unterm Strich bleibt dann ein heftiger Stich.
Vielleicht hat unser Bürgermeister, der ein guter Verwaltungs-Chef für alle sein will, noch an die „Gegenliebe“ seiner Bürger gedacht, die ihm bei einem Finanz-Engpass vor Jahren „mal eben“ vier Millionen Euro als Kredit zur Verfung stellten. Aber auch damals plünderten nicht alle Bürger folgsam ihre Sparbücher. Es gibt immer auch die Anderen, die Ärmeren, weniger Begeisterten oder Unzufriedenen.
Das beste Beipiel für den „rauher gewordenen Ton“ im Lande ist doch die Spaltung unserer Gesellschaft in der Frage der offiziellen Flüchtlingspolitik. Sogar seriöse Zeitungen und Nachrichten- Magazine werden heute als „Lügenpresse“ beschimpft. Entweder prallt das ab, weil man davon überzeugt ist, eine gute Arbeit zu leisten – oder leidet darunter, weil man leider kein dickes Fell besitzt.
Peter Jäger