15.11.2022 | Zugegeben: Es war keine leichte Kost, die der Trägerverein Henri-Goldstein-Haus gemeinsam mit der Musikschule servierte, aber ein paar mehr als die rund 100 Besucher hätten
es beim Konzert ”Gegen das Vergessen" am vergangenen Sonnabend
im Artur-Grenz-Saal schon sein dürfen. Schließlich hatte Musikschul-Leiter Lorenz Jensen nicht nur ein attraktives Musikprogramm zusammengestellt, das vom Ensemble wieder excellent dargeboten wurde, er lieferte in seiner Moderation auch einen informativen Überblick über die jüdisch-deutsche Musikgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert.
Bereits im vergangenen Jahr hatte es ein Konzert zum Gedenken an die Reichskristallnacht am 9. November gegeben. Damals standen die Arbeiten und das Leben von Musikerinnen und Musiker im Vordergrund, die während der Nazi-Herrschaft ums Leben gekommen waren. Gern hatte Jens-Olaf Nuckel, Vorsitzender des Trägervereins Henri-Goldstein-Haus, den Vorschlag Jensens aufgegriffen, in diesem Jahr ein Konzert folgen zu lassen, in dem jüdische Musiker allgemein und ihre Schicksale im Mittelpunkt stehen.
In seiner Begrüßung wies Nuckel auf die Aktualität des Themas hin, indem er einen kürzlich im Deutschlandfunk erschienenen Kommentar zitierte. Darin wies der Autor auf den zunehmenden Faschischmus in Schweden, in Italien, aber auch bei uns hin. Lange sei der Faschischmus in den Geschichtsbüchern daheim gewesen, die Gegenwart schien immunisiert zu sein. Doch dies sei ein Irrtum: Seit einer ganzen Weile sei der Faschismus wieder da!
„Sie sind nicht unsere Zielgruppe," erläuterte Nuckel an das Publikum gewandt,„denn Sie sind ja hier!" Aber er verwies auch darauf, dass Plakate für die Veranstaltung zerstört und entwendet worden seien, worin er ein politisches Signal sieht.
Lorenz Jensen führte durch den Abend
Der musikalische Teil der Veranstaltung begann mit einem Solo des Bariton Julian Redlin, der das „Kol Nidrey", ein gesungenes Gebet zum Versöhnungstag (Jom Kippur), zu Gehör brachte.
In der Folge nahm das Ensemble mit Sabine Koth (Klarinette), Felina Ahrens (Horn), Lorenz Jensen (Fagott), Falko Jentsch (Violine), Johanna Rodeck-Martynchuk (Viola), Andreas Hamborg (Violoncello) und Christian Niehuies (Bass) das Publikum mit auf eine musikalische Reise durch die jüdisch-deutsche Musikgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert. Vor den einzelnen Stücken stellte Lorenz Jensen den jeweiligen Komponisten vor: Emil Nikolaus von Reznicek, Franz Schubert, Felix Mendelssohn-Bartholdy, Carl Loewe, Joseph Joachim, Giacomo Meyerbeer, Moritz Moszkowski, Gustav Mahler, Louis Lewandowski und Max Bruch. Dabei arbeitete er besonders heraus, welchen Anfeindungen sie alle wegen ihrer jüdischen Herkunft ausgesetzt waren, auch wenn sie zum Teil schon sehr früh zum christlichen Glauben übergetreten waren. Besonders die antisemitische Angriffe Richard Wagners gegenüber Mendelssohn-Bartholdy, aber auch gegen Giacomo Meyerbeer, der ihn sogar gefördert hatte, war sicher dem einen oder anderen Besucher unbekannt.
Und so dürfte gerade die Mischung aus musikalischem Genuss und Hintergrundinformationen das Publikum sehr nachdenklich in den Abend entlassen haben.
Prominente Gäste konnte Nuckel zum Konzert begrüßen: Ute Körby, Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft Gedenkstätten und Erinnerungsorte in Schleswig-Holstein, die stellvertretende Kreispräsidentin Elke Schreiber, Quickborns neuen Bürgermeister Thomas Beckmann, die Vizepräsidentin des schleswig-holsteinischen Landtages Beate Raudies und Bürgervorsteher Henning Meyn (v.l.)
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