Der schmutzigste aller Kriege

GUDELIUS: Augenblick mal!

 

Hier schreibt der Quickborner Autor Peter Gudelius einmal in der Woche zu Themen der Stadt, des Landes und der Welt. Was sich kritisch liest, mal mehr, mal weniger zugespitzt, will als Anregung verstanden sein und zum Nachdenken verführen. Herausgeber und Redaktion weisen darauf hin, dass die Beiträge die Ansicht des Kolumnisten wiedergeben.

Weitere Beiträge des Autors finden Sie in seinem Blog „Sprach-los".

 

Jeder Krieg ist schmutzig. Der schmutzigste aller Kriege findet zurzeit statt – im  Internet. Vergleichbar nur mit einem Giftgaskrieg, vor dem bisher alle zurückschreckten. Man sieht nichts, man hört nichts, man riecht nichts. Aber das Gift wirkt. Es tötet. Im Internetkrieg den Verstand. Das genügt, um die Welt ins Chaos zu stürzen. Was ist wahr? Was ist wahrscheinlich? Was stimmt? Was ist gelogen?

Wie in jedem Krieg ist auch hier das erste Opfer immer die Wahrheit. (Selbst die Feststellung Bismarcks hilft hier nicht weiter: „Nie wird so viel gelogen wie vor der Wahl, im Krieg und nach der Jagd.“)

Ebenso wenig hilfreich ist die Anmerkung unserer Bundeskanzlerin, wir lebten offenbar im postfaktischen Zeitalter, in einer Zeit, in der Gefühle mehr bedeuten als Tatsachen.  War das nicht immer so? Wir sollten uns da nichts vormachen.

Kellyanne Conway, Beraterin  des US-Präsidenten Trump, hat den Begriff „Alter-native Fakten“ ins Spiel gebracht: Passt dir die Wirklichkeit nicht, erfinde einfach eine andere. Wir sollten darüber nicht lachen.

Es gibt bestimmt Internetkrieger, die klüger sind als Kellyanne und – gefährlicher. Im Augenblick scheint der Internetkrieg vor allem zwischen Russland und den USA zu toben. Russland hat sich in die US-Präsidentenwahl eingemischt, mischt aber auch die EU nach Belieben auf – können wir überall lesen. Das mag so sein, ist zumindest nicht ganz unglaubwürdig. Und wir, auf der anderen Seite der kriegführenden Parteien? Darüber ist wenig bis nichts zu erfahren.

Nebenbei: Ganz gruselig wird es, wenn wir uns vorstellen, dass das Internet noch ganz andere Möglichkeiten der Kriegsführung zur Verfügung stellt. Mit ein paar Mausklicks lassen sich Atomkraftwerke in die Luft jagen, die Stromversorgung ganzer Länder lahmlegen, den Flugverkehr durcheinanderbringen. Alles gesponnen?

Zurück aus dem Land der Gruselphantasie in die alltägliche Wirklichkeit! Zurück auf den Boden der Tatsachen, die gar keine sind. Zurück zum Schmutz, den die Internetkrieger uns vor die Haustür kippen. Der sieht so aus:

„Obama-Regierung hat das Word Trade Center in die Luft gesprengt. Zwei 60 Kilo schwere ‚Atombomben‘. Trump, der ja Architekt ist, sagt, dass die Gebäude durch Flugzeugangriffe in dieser Form nicht hätten einstürzen können. Ein befreundeter Mann aus B., der zufällig dabei war, also beim Untergang der beiden Gebäude, hat berichtet, dass das Metall noch Tage später geglüht hat. Außerdem seien Messungen durchgeführt worden, die eine extrem hohe Radioaktivität angezeigt haben, was ein Beweis ist.“

„Obama ist schwul, seine Frau transsexuell.“

„Obama ist Anführer der amerikanischen Muslim-Bewegung, hat die ganze Bürokratie damit unterwandert. Deshalb würden momentan jeden Tag 300 Mitarbeiter verhaftet.“

„30 % der unter Obama arbeitenden Regierungsmitarbeiter, aber auch viele Abgeordnete gehören dem größten Pädophilen-Ring der Welt an. Deshalb auch dort jeden Tag Verhaftungen.“

„In 40 europäischen Städten herrscht Bürgerkrieg.“

„In  Schweden herrschen Chaos und Gewalt. Muslimische Einwanderer sind schuld.“

„Einen Klimawandel gibt es nicht.“

Woher kommen solche Fake News, solche getürkten Nachrichten? Da hätten wir zum Beispiel den TV-Sender Fox News, Lieblingssender des US-Präsidenten. Auf die News dieses Senders bezieht sich „The Donald“, wie ihn viele Amerikaner nennen, gern und nachdrücklich, so schräg sie auch sein mögen.

Dann geht es ohne Punkt und Komma weiter: Breitbart news Deutschland, Lifezette.com, Gatewaypundit.com, infowars.com (Alex Jones, „The Donald“-Einflüsterer), newsmax.com, newsmax.de, John Birch Society (Westernheld John Waine war Mitglied der Society), epochetimes.de.

Das sind nicht alle Quellen der wahren Lügenpresse, die hier sprudeln. Das Magazin Compact dürfte sich dazu zählen, Die Junge Welt – um nur zwei Beispiele zu nennen. Wer die Unwahrheit sucht, hat viele Möglichkeiten.

Jetzt haben wir wenigstens eine Ahnung davon, wer diesen Schmutz bei uns ablädt. Bleibt die Frage: Was machen wir mit dem Dreck? Ab in die Mülltonne?

Schön wär’s! Es gibt auch bei uns Menschen, die die zitierten Fake News, diese getürkten Nachrichten, für wahr halten: Obama schwul und Michelle transsexuell. Ihre beiden Mädchen hat der Storch gebracht?

Keine Aufregung! Noch nicht. Es wird immer Menschen geben, die jeden Unsinn glauben, also auch diesen. Wenn aber wohlsituierte Bildungsbürger unserer Republik das alles für bare Münze halten, und das ist so, dann wird es höchste Zeit, Alarm zu schlagen. Und das bedeutet?

Wer wirklich klüger werden will, darf nicht nur der eigenen Meinung hinterher rennen, sollte nicht nur hören und lesen, was er für richtig hält. Das macht ihn nicht klüger, sondern – auf die Dauer – dumm.

Deshalb sei den COMPACT-Lesern, den JUNGE WELT-Lesern usw. angeraten, auch die vermeintliche Lügenpresse zu lesen, STERN, SPIEGEL, DIE ZEIT, WELT, FREITAG, TAZ …  Das wäre der erste Schritt, sich von Weltanschauungen zu trennen, die schon so viel Unglück gebracht haben.

Alexander von Humboldt hatte da seine eigene Anschauung: „Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die Weltanschauung von Leuten, die die Welt nie angeschaut haben.“
 

















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